Auftragsarten und anwendbare Vorschriften

§ 103 GWB enthält in seinen Absätzen 2 bis 4 Definitionen und Abgrenzungen von

  • Bauaufträgen,
  • Lieferaufträgen und
  • Dienstleistungsaufträgen.

Während Liefer- (Abs. 2) und Bauaufträge (Abs. 3) positiv definiert sind, enthält Abs. 4 lediglich eine negative Abgrenzung. Dienstleistungen sind danach alle Leistungen, die weder Bauauftrag noch Lieferauftrag sind.

Was die Einstufung in die Auftragsarten betrifft, empfiehlt es sich, zunächst zu prüfen, ob es sich um einen „Bauauftrag“ (im Sinne des § 103 Abs. 3 GWB) handelt, da auch bei Bauaufträgen regelmäßig „Lieferungen“ Gegenstand des Vertrages sind, siehe unter. Handelt es sich nicht um einen Bauauftrag, muss – wegen der negativen Abgrenzung in § 103 Abs. 4 GWB – geprüft werden, ob es sich um einen Lieferauftrag im Sinne des § 103 Abs. 2 GWB handelt. Liegt weder ein Bauauftrag noch ein Lieferauftrag vor, handelt es sich nach der Regelung des § 103 Abs. 4 GWB um einen Dienstleistungsauftrag.

Im Einzelnen:

Bauauftrag

Um einen Bauauftrag im Sinne des § 103 Abs. 3 GWB handelt es sich, wenn Gegenstand des Vertrages die Ausführung oder die gleichzeitige Planung

  • von Bauleistungen nach Anhang II der RL 2014/24/EU oder Anhang RL 2014/25/EU (Nr. 1) oder
  • eines Bauwerkes, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll (Nr. 2) oder
  • die Ausführung einer dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommenden Bauleistung durch Dritte gem. den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen (§ 103 Abs. 3 S. 2).

Bei der Einstufung als „Bauleistung“ spielt die – nach nationalem Recht vorzunehmende – zivilrechtliche Einordnung (z. B. im Werk- oder Kaufvertrag) keine Rolle.[1] Ebenso wenig spielt in diesem Zusammenhang die – von der Gesetzessystematik ohnehin nachrangige – Regelung in § 1 EU VOB/A eine Rolle.[2]

Insofern werden unter dem (weiten) Begriff der „Bauleistungen“ im Sinne des § 97 Abs. 3 GWB auch Leistungen erfasst, die nach deutschem Zivilrecht dem Kaufvertragsrecht unterfallen (vgl. z. B. § 651 BGB). Anders als nach der zivilrechtlichen Einordnung gehört also auch die Lieferung und Montage von maschinellen und/oder elektrotechnischen/elektronischen Anlagen und Anlagenteilen, die für die zu errichtende bauliche Anlage erforderlich sind, zu den „Bauleistungen“ und damit zu den Leistungen, die im Wege eines „Bauauftrages“ zu vergeben sind.

Der Begriff der „Bauleistungen“ im Sinne des § 93 Abs. 3 GWG gilt allerdings nur für Vergaben oberhalb der Schwellenwerte. Für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte ist bei Bauleistungen die Definition des § 1 VOB/A maßgeblich, wonach Bauleistungen Arbeiten jeder Art sind, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instand gehalten, geändert oder beseitigt wird.[3]

Lieferauftrag

Nach § 103 Abs. 2 GWB handelt es sich um einen Lieferauftrag, wenn dieser auf die Beschaffung von Waren – durch Kauf, Leasing, Miete, Pacht oder Ratenkauf – abzielt. Dabei kommt es nicht darauf an, wie der Auftragnehmer dem öffentlichen Auftraggeber die Verfügungsgewalt an der Ware verschafft. Es reicht in diesem Zusammenhang aus, wenn der Auftragnehmer die Ware vereinbarungsgemäß an einen bestimmten Ort liefert. Als „Ware“ sind alle beweglichen Gegenstände (unabhängig von ihrem Aggregatzustand) zu verstehen, somit auch Strom, Kraft, Wärme und Energie.

Dienstleistungsauftrag

Aufgrund der negativen Abgrenzung in § 103 Abs. 4 GWB handelt es sich nur dann um einen Dienstleistungsauftrag, wenn weder die Voraussetzungen für einen „Bauauftrag“ noch die für einen „Lieferauftrag“ vorliegen. Insofern handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der als solcher mit dem Ziel in das GWB aufgenommen worden ist, alle Beschaffungsvorgänge der öffentlichen Hand dem Vergaberechtsregime zu unterstellen.

Allerdings unterliegt nicht jede Art von Dienstleistung dem strengen Vergaberegime. Für besondere und soziale Dienstleistungen, wie sie in Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU aufgelistet sind und die nach Auffassung der EU nur geringe grenzüberschreitende Bedeutung haben, gibt es in vergaberechtlicher Hinsicht deutliche Erleichterungen: Diese Dienstleistungen müssen erst ab einem Nettoauftragsvolumen von 750.000,00 EUR in einem förmlichen Vergabeverfahren ausgeschrieben und vergeben werden, und zwar auch nach Wahl des Auftraggebers (vgl. § 106 GWB i. V. m. Art. 4 RL 2014/24/EU; § 130 GWB).

Diese (besonderen oder sozialen) Dienstleistungen sind ausschließlich die im Anhang XIV[4] aufgelisteten Dienstleistungen, und zwar

  • im Sozial-, Bildungs-, Gesundheits- und kulturellem Bereich,
  • in Gaststätten und im Beherbergungsgewerbe,
  • Dienstleistungen im juristischen Bereich, sofern sie nicht ohnehin ausgeschlossen sind (s.o.) und
  • Dienstleistungen von Detekteien und Sicherheitsdiensten.

Ein Fall besonderer oder sozialer Dienstleistung liegt allerdings nur dann vor, wenn diese im Anhang IV aufgelistet ist. Insofern handelt es sich nicht um Regelbeispiele, sondern um eine enumerative Aufzählung. Dies bedeutet, dass Dienstleistungen, wenn sie nicht im Art. XIV aufgelistet sind, nicht nach § 130 GWB privilegiert sind, wonach sämtliche Vergabearten (je nach Wahl des Auftraggebers) zulässig sind.

Gemischte Verträge: §§ 110 bis 112 GWB

Erstmals mit der Vergaberechtsreform 2016 wurden gemischte Verträge einem bestimmten Vergaberechtsregime zugeordnet. Es handelt sich im Einzelnen um folgende Sonderregelungen:

  • § 110 GWB: Aufträge mit gemischten Leistungen
  • § 111 GWB: Aufträge die unterschiedlichen Vergaberechtsregimen angehören
  • § 112 GWB: Zuordnung von Aufträgen, die auch Sektorentätigkeiten umfassen.

[1] vgl. Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB, § 99, Rn. 27.

[2] VK Südbayern, Beschluss vom 29.11.2005 – Z 3-3-3194-1-46-09/05 (zur a. F. VOB/A).

[3] Vgl. § 1 VOB/A.

[4] Es handelt sich hier um eine Zusammenstellung von Leistungen nach CPV-Codes.