Bauvertragsrecht

Am 1. Januar 2018 ist das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts (BauVG) und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung in Kraft getreten. Mit ihm hat der Gesetzgeber ein von vielen Baujuristen seit Langem erwartetes eigenständiges Bauvertragsrecht – ergänzt durch den Verbraucherbauvertrag sowie durch werkvertragsähnliche Verträge wie dem Architekten- und Ingenieurvertrag und einen „Bauträgervertrag“ – geschaffen. Zugleich geht mit ihm ein gesetzgeberischer Paradigmenwechsel in Richtung „Kooperation statt Konfrontation“ (s.u.) einher, der sich den Regelungen selbst, vor allem aber der Gesetzesbegründung entnehmen lässt. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit dem neu geschaffenen Regelungssystem der §§ 650b, 650c und 650d BGB, dem Herzstück der Reform.

Das Gesetz ist ein Meilenstein in der Entwicklung eines eigenständigen Bauvertragsrechts. Die grundlegende Umgestaltung des Werkvertragsrechts durch das BauVG, das über 100 Jahre lang weitestgehend unverändert geblieben war, hat nunmehr eine intensive baurechtliche Fachdiskussion in Gang gesetzt, dessen Ende noch nicht absehbar ist. Ob die neuen Regelungen den vom Gesetzgeber angestrebten Zweck erreichen werden, darüber gehen die Meinungen bereis jetzt weit auseinander. In zweierlei Hinsicht wird das BauVG allerdings – unabhängig von den bereits jetzt absehbaren Meinungsstreitigkeiten über die Auslegung der materiell-rechtlichen Vorschriften – in die Baurechtswirklichkeit tiefgreifende Einschnitte bewirken:

Zum einen wird sich der Einfluss der VOB/B unweigerlich verringern. Denn das BauVG hat einige neue gesetzliche Leitbilder geschaffen, an dem sich jede Vertragsordnung (wie die VOB/B) zu orientieren hat, wenn sie einer isolierten Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB standhalten will (vgl. hierzu unten).

Darüber hinaus werden einige baurechtliche Rechtsstreitigkeiten durch die eigens hierfür geschaffenen Baukammern und Bausenate deutlich schneller als bislang entschieden werden müssen. Denn die vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 650d BGB eröffnete Möglichkeit einer einstweiligen (Bau-)Verfügung sollte – jedenfalls nach der Zielvorstellung des Gesetzgebers – zu einer längst fälligen Beschleunigung der Bauprozesse führen. Zwar hat sich die Justiz auf dieses neue Instrument bzw. Verfahren eingestellt (z.B. hat das OLG Köln hierfür eine Spezialzuständigkeit mit einem im Bausachen sehr erfahrenen Vorsitzenden geschaffen), von dieser Möglichkeit Gebrauch hat allerdings dem Vernehmen nach noch niemand. Bislang gibt es jedoch noch keine Judikatur zum neuen Recht.

Das BauVG hat nicht nur neue Regelungen bekommen, sondern auch eine neue Struktur. So gibt es nun spezielle Normen, die nur für den Bauvertrag gelten, die ergänzt werden durch die Allgemeinen Regelungen des Werkvertragsrechts (§§ 631 bis 650). Diese Allgemeinen Regelungen gelten nicht nur für den Bauvertrag, sondern auch für den Verbraucherbauvertrag und jedenfalls teilweise – durch entsprechende Verweise – auch für den Architekten- und Ingenieurvertrag, während das „neue“ Bauträgerrecht lediglich rudimentär ausgestaltet ist.

Allgemeines Werkvertragsrecht

Das allgemeine Werkvertragsrecht hat drei wesentliche Änderungen erfahren, die zwar alle Werkverträge betreffen, aber insbesondere für Bauleistungen (Bauverträge und Architekten-Ingenieurverträge) von besonderer Bedeutung sind:

1. Das bislang in § 632a Abs. 1 BGB a.F. normierte Recht auf Abschlagszahlungen wird dahingehend geändert, dass der Besteller nunmehr grundsätzlich verpflichtet ist, Abschlagszahlungen zu leisten, auch wenn wesentliche Mängel vorliegen. Er darf in diesem Fall nur noch einen angemessenen Betrag bei Mängeln zurückhalten. Nach der bisherigen Regelung des § 632a BGB a.F. konnte ein Bauunternehmer hingegen – ohne Einbeziehung der VOB/B – faktisch keine Abschlagszahlung verlangen, wenn die darin abgerechnete Leistung einen wesentlichen Mangel aufwies. Dabei kam es bislang nicht auf das Verhältnis der Mangelbeseitigungskosten zu dem Wert der bis dahin erbrachten Gesamtleistung (nach Vertragspreisen) an – ebenso wenig darauf, dass der wesentliche Mangel diejenige Leistung betraf, die mit der Abschlagsrechnung berechnet worden ist. Die bisherige Regelung stellte dabei auf den Wertzuwachs ab, sodass unerheblich war, auf welche Leistung sich der wesentliche Mangel bezog. Nunmehr kann der Besteller wegen eines Mangels, und zwar unabhängig von deren Wesentlichkeit – nur noch einen angemessenen Betrag von der Abschlagsrechnung einbehalten. Da diese Regelung hier als gesetzliches Leitbild ausgestaltet sein dürfte, dürften Abweichungen hiervon, soweit eine AGB-Inhaltskontrolle stattfindet, kaum durchzusetzen sein.

Dabei dürfte allerdings im Hinblick auf die Angemessenheit der Mangelbeseitigungskosten auf den Zeitpunkt der Abnahme abzustellen sein. Wäre ein Mangel z.B. zu diesem Zeitpunkt noch mit erheblichen Kosten verbunden, würde dies zu einem hohen (angemessenen) Mangelbeseitigungsaufwand führen. Insofern ist in diesem Zusammenhang auf die (objektivierbare) Sicht des Bestellers abzustellen und nicht auf die des Unternehmers.

2. Nach wie vor ist die Abnahme Voraussetzung der Fälligkeit des Werklohns, § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ebenso unverändert bleiben im neuen Gesetz die Wirkungen der Abnahme. Die Neuregelung des § 640 Abs. 2 BGB enthält nun allerdings eine Abnahmefiktion. Erklärt der Besteller die Abnahme nicht – weder ausdrücklich noch konkludent – wird er so behandelt, als habe er die Abnahme erklärt, wenn die in § 640 Abs. 2 BGB im Einzelnen geregelten Voraussetzungen vorliegen.

3. In dem neuen § 648a BGB gibt es schließlich erstmals ein ausdrücklich normiertes Recht, das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Werkvertrages.

4. Unabhängig davon gibt es einige redaktionelle Änderungen, die hier nur erwähnt werden sollen: Die bisherige Regelung des § 632a Abs. 2 BGB a.F. wird nunmehr in § 650v BGB geregelt, d.h. im Zusammenhang mit den Regelungen zum Bauträgervertrag. Die Regelung des § 632a Abs. 3 BGB a.F. ist nun beim Verbraucherbauvertrag (Kap. 3) geregelt (§ 650m Abs. 2 BGB). Die Regelungen zur Sicherungshypothek des Bauunternehmers werden zukünftig bei den speziellen Bestimmungen zum Bauvertrag (Kap. 2) einsortiert, dort § 650e BGB. Ebenfalls zum Bauvertragsrecht gewandert ist die – bislang in § 648a BGB a.F. geregelte – Zahlungssicherheit des (Bau-) Unternehmers, § 650 f BGB. Die bisherige Regelung des § 649 BGB a.F. wird nunmehr zu § 648 BGB.

Diese redaktionellen Anpassungen bedeuten jeweils keine materiell-rechtlichen Änderungen. Lediglich bei der Zahlungssicherheit (bislang § 648 a BGB a.F.) gibt es Änderungen, die allerdings nicht das allgemeine Werkvertragsrecht betreffen, sondern das Bauvertragsrecht.

Bauvertragsrecht

Zu den wichtigsten Neuregelungen im Bauvertragsrecht gehört das neu geschaffene Änderungsrecht des Bestellers nebst Folgen für die Vergütung, verbunden mit deutlichen Erleichterungen bei der Durchsetzung von diesbezüglichen Rechten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (§§ 650b bis 650d). Daneben gibt es Regelungen zur Zustandsfeststellung bei Verweigerung der Abnahme (§ 650g BGB) sowie ein Schriftformerfordernis für eine Kündigung des Bauvertrages (§ 650h BGB).

Nach der Neuregelung handelt es sich allerdings nur dann um einen Bauvertrag im Sinne des § 650a BGB, wenn es um die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerkes, einer Außenanlage oder eines Teils davon handelt. Gegenstand eines Bauvertrages kann nach § 650a Abs. 2 BGB auch eine Instandhaltung sein, soweit diese für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist. Ein Vertrag über die Instandhaltung ist also nur dann ein Bauvertrag, wenn eine der in Abs. 2 genannten (zusätzlichen) Voraussetzungen vorliegen. Was ein Bauwerk oder eine Außenanlage ist, definiert das Gesetz nicht. Vielmehr soll nach der Gesetzesbegründung auf die Rechtsprechung zu § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. zurückgegriffen werden.

Werkverträge mit Verbrauchern

Handelt es sich bei dem Besteller um einen „Verbraucher“ im Sinne des § 13 BGB, ist zwar von einem „Verbrauchervertrag“ auszugehen, aber nicht zwingend von einem  „Verbraucherbauvertrag“, der in §§ 650i bis 650n BGB geregelt ist. Wird also ein Bauvertrag mit einem Verbraucher geschlossen, der nicht als „Verbraucherbauvertrag“ im Sinne des § 650i BGB zu verstehen ist, handelt es sich insoweit um einen „normalen“ Bauvertrag.

Zukünftig wird es also drei verschiedene Vertragstypen geben, die mit Verbrauchern geschlossen werden können:

  • Werkvertrag über „unwesentliche“ Bauleistungen gemäß §§ 631ff. BGB,
  • Bauvertrag über „wesentliche“ Bauleistungen gemäß §§ 650a ff. BGB,
  • Verbraucherbauvertrag über „erhebliche“ Bauleistungen gemäß §§ 650a ff. BGB.

Neuer Vertragstyp „Architekten- und Ingenieurvertrag“

Mit der Gesetzesnovelle wird erstmals auch ein Architekten- und Ingenieurrecht eingeführt sowie ein eigenständiger Vertragstypus, der Architekten- und Ingenieurvertrag (im Folgenden nur „Architektenvertrag“).

Dass der Architektenvertrag überhaupt zum Werkvertragsrecht gezählt wird, ist keine Selbstverständlichkeit. Dies beruht bekanntlich auf einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus den 1950er Jahren.

Diese Einordnung hat der Gesetzgeber beibehalten und damit endgültig allen Versuchen der vergangenen Jahrzehnte, den Architektenvertrag dem Dienstvertragsrecht zuzuordnen, eine Absage erteilt. Allerdings wird nunmehr der Tatsache Rechnung getragen, dass der Architektenvertrag gegenüber einem sonstigen Werkvertrag wie auch gegenüber einem Bauvertrag einige Besonderheiten aufweist, für die sich spezielle Regelungen anbieten. Der prozessorientierte Charakter des Architektenvertrages, die Tatsache, dass das geschuldete Werk in der Regel bei Auftragserteilung noch gar nicht feststeht, d.h. auch die konkrete Gestaltung des zu errichtenden Bauwerks, war für viele nicht verständlich. Dass dem Architektenvertrag ein Leistungsbestimmungsrecht immanent ist, ist auch in der Instanzrechtsprechung bisweilen unberücksichtigt geblieben.

Der genaue vertragliche Leistungserfolg kann in vielen Fällen, insbesondere dann, wenn auch die ersten Leistungsphasen beauftragt werden, bei Vertragsschluss noch gar nicht feststehen. Das neue Architektenvertragsrecht enthält hierzu eine neue Sicht der Dinge.

Neben den Regelungen zum geschuldeten Planungserfolg gibt es nun auch eine Synchronisierung der Abnahme von Bauunternehmerleistungen und Architektenleistungen. Zudem sind nunmehr der Inanspruchnahme des Architekten Grenzen gesetzt, wenn dieser für Mängel am Bauwerk haften soll, ohne dass dem Bauunternehmer zuvor eine Frist gesetzt worden ist. Nach der bisherigen Rechtslage ist es bekanntlich so, dass der Architekt auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn der Bauunternehmer überhaupt keine Gelegenheit zur Nachbesserung erhält. Dies ist nun geändert worden.

Um den besonderen Charakter des Architektenrechts deutlich zu machen, sind die neuen Vorschriften in einem eigenen Untertitel zusammengefasst. Erstmals gesetzlich geregelt werden die vertragstypischen Pflichten wie bei einem Architektenvertrag. Hier wird ein auf die Herbeiführung des vertraglich geschuldeten Erfolgs funktional ausgerichteter Leistungsbegriff normiert. Zudem wird eine eigenständige Regelung für die Fälle geschaffen, bei denen die wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele noch nicht in der für eine konkrete Festlegung des geschuldeten Leistungserfolgs erforderlichen Art und Weise feststehen.