Rechtsschutz im Unterschwellenbereich: Es gibt ihn, aber nicht in allen Fällen.

Rechtsschutz im Unterschwellenbereich? Auftraggeber und Bieter scheinen sich einig zu sein: Rechtsschutz in diesem Bereich gibt es doch gar nicht. Richtig daran ist, dass der Gesetzgeber bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte noch immer keinen gesetzlich geregelten Bieterrechtsschutz eingeführt hat.

Hintergrund

Der größte Teil der Auftragsvergaben wird von Ländern und Kommunen durchgeführt, die eine durch Bieter veranlasste gerichtliche Kontrolle ihrer Ausschreibungen scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Bedeutet dies aber, dass Bieter bei kleineren und mittleren Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträgen schutzlos sind? Ein Rechtsstreit vor dem LG Hannover bzw. dem OLG Celle (13 U 29/22) zeigt: Selbst im Unterschwellen­bereich können sich Bieter durchaus mit Erfolg gegen die Verletzung bieterschützender Vorschriften der Vergabeordnungen zur Wehr setzen. Allerdings noch nicht in allen Fallkonstellationen.

Grenzen des Rechtsschutzes

Denn bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte hängt der Rechtsschutz eines Bieters nämlich maßgeblich von der erstinstanzlichen Entscheidung des Gerichts ab. Nur für den Fall, dass das Ausgangsgericht dem Antrag stattgibt, ist der Bieter durch die den Zivilgerichten zur Verfügung stehenden Instrumentarien hinreichend geschützt. 

Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung abgelehnt wird. Mit Verkündung der instanzbeendenden Entscheidung wird der Bieter im Hinblick auf eine von ihm beabsichtigte Auftragserteilung nämlich wieder schutzlos, da der öffentliche Auftraggeber in diesem Moment den Zuschlag (wirksam) erteilen kann. Denn selbst wenn der Bieter bei einer negativen Entscheidung sofort reagiert und sowohl Berufung und eine neue Zwischenverfügung beantragt, wird der öffentliche Auftraggeber voraussichtlich binnen kürzester Zeit den Zuschlag an den Mitbewerber erteilen.

Dem Bieter verbleiben dann nur noch Schadensersatzansprüche oder ggf. die Einleitung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber, was ihm aber im Hinblick auf sein Rechtsschutzziel nicht hilft. 

Welche Instrumentarien auch im Unterschwellenbereich erforderlich wären, hat der Gesetzgeber mit seinen Regelungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§ 173 Abs. 1 S. 2 GWB) zum Ausdruck gebracht. Auch wenn sich in den vergangenen Jahren im Hinblick auf den Rechtsschutz im Unterschwellenbereich viel getan hat und Bieter keineswegs mehr schutzlos sind. Es verbleibt nach wie vor eine gravierende Lücke im Rechtsschutz, die mit dem verfassungsrechtlich normierten Anspruch eines Bieters auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht vereinbar ist. Denn nach Auffassung des Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006 – 1 BvR 1160/03; VergabeR 2006, 871) zielt der Justizgewährungsanspruch auf eine sachgerechte Gewichtung und Zuordnung der jeweils betroffenen rechtlich geschützten Belange. Dem Staat bzw. öffentlichen Auftraggebern ist es daher verwehrt, das Verfahren oder auch nur die Kriterien der Vergabe „willkürlich“ festzulegen. Verkennt nun aber die erste zivilgerichtliche Instanz die Willkür des öffentlichen Auftraggebers (etwa aufgrund mangelnder Erfahrung), so wird der Bieter – mangels Rechtsschutzmöglichkeit in der zweiten Instanz – durch die erstinstanzliche Entscheidung in seinem Justizgewährungsanspruch verletzt. 

Näheres in der Erstausgabe von Legal Report, die hier heruntergeladen werden kann.

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