Vergaberecht – was ist das?

Sinn- und Zweck des Vergaberechts

Das Vergaberecht regelt die Rahmenbedingungen, die bei öffentlichen Aufträgen zu beachten sind. Unter öffentlichen Aufträgen sind Aufträge für die Beschaffung von Gütern, Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen für die öffentliche Hand zu verstehen. Öffentliche Aufträge haben ein Gesamtvolumen in der Bundesrepublik Deutschland von ca. 300 bis 500 Milliarden Euro.[1] Nicht zuletzt die Bedeutung dieses Wirtschaftsbereiches sowie die Tatsache, dass die öffentliche Hand in Teilbereichen sogar Monopolist ist, lassen klare Beschaffungsregelungen erforderlich werden.

In der Vergangenheit war das Vergaberecht aufgrund der Tatsache, dass es sich hier um Ausgaben der öffentlichen Hand handelt, haushaltsrechtlich ausgerichtet. Die Europäisierung des Rechts hat sich allerdings auch auf das Vergaberecht ausgewirkt. Ab Mitte der 1970er Jahre wurden mehrere Richtlinien zur Koordinierung der öffentlichen Auftragsvergabe erlassen. Seit dieser Zeit unterliegen Beschaffungsvorgänge bzw. Auftragsvergaben über einem bestimmten Gesamtvolumen dem 1999 eingeführten 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Darin sind auch umfangreiche Rechtsschutzmöglichkeiten vorgesehen, die allerdings das Überschreiten eines bestimmten Gesamtvolumens („Schwellenwert“) voraussetzen. Der Bereich unterhalb dieser „Schwellenwerte“ ist nach wie vor stark haushaltsrechtlich ausgeprägt.

Das Vergaberecht enthält die „Spielregeln“ für den Beschaffungsvorgang von öffentlichen Auftraggebern, die diese aus wirtschaftlichen und (europa- bzw. haushalts-)rechtlichen Gründen einzuhalten hat. Die Vergaberechtlichen Vorschriften, die von manchen als „Einkaufshandbuch“ des öffentlichen Auftraggebers bezeichnet werden, dienen dem Zweck, dass Güter, Waren, Dienstleitungen und Bauleistungen

  • möglichst wirtschaftlich beschafft werden, dabei
  • Korruption und anderen Missständen vorgebeugt werden soll,
  • der Beschaffungsvorgang für die Öffentlichkeit wie auch für die beteiligten Unternehmen transparent erfolgen soll und
  • die zuständigen Mitarbeiter der öffentlichen Hand klare Regeln erhalten, nach denen sie über die Verwendung öffentlicher Mittel entscheiden.

Über viele Jahre hinweg handelte es sich bei dem Vergaberecht um ein behördeninternes Regelwerk, das einer gerichtlichen Kontrolle weitestgehend entzogen war.

Faktisch konnte sich ein übergangener Bieter gegen eine Vergabeentscheidung nicht zur Wehr setzen, weil sein Rechtsschutz in der Regel zu spät kam, vor allem deshalb, weil der Zuschlag bereits vor einer gerichtlichen Entscheidung erteilt war. Denn früher erfuhren die Bieter, die nicht den Zuschlag erhalten hatten, hiervon erst nach Zuschlagserteilung.

Das Vergaberecht gewann erst dann an Bedeutung, nachdem der Primärrechtsschutz (das Verhindern des Zuschlages an einen Mitbewerber) verbessert worden war. Bis dahin war der Rechtsschutz „rückwärtsgewandt“. Es gab danach nämlich nur – nach erfolgter Vergabe – Schadensersatzansprüche. Nachdem die EU jedoch (damals noch EWG, später EG) erkannt hatte, dass inhaltliche Vergabevorschriften ohne Rechtsschutz der Bieter kaum durchzusetzen waren, wurden Rechtsmittelrichtlinien erlassen, mit denen nun die am Auftrag interessierten Bieter eigene Rechte erhielten, die sie vor den Nachprüfungsinstanzen durchsetzen konnten. Auf diese Weise konnten Bieter eine inhaltliche Überprüfung der Vergabeverfahren erreichen. Ins deutsche Recht wurden diese Rechtsmittelrichtlinien zum 01.01.1999 umgesetzt. Seitdem müssen öffentliche Auftraggeber die Einhaltung der Vergabevorschriften nicht nur aus behördeninternen Gründen (somit im eigenen Interesse) beachten, sie müssen auch mit einer Kontrolle im Wege eines Vergabenachprüfungsverfahrens (Vergabe, Oberlandesgericht) rechnen.

Zwar bedeuten die Vergabevorschriften immer auch eine erhebliche Verzögerung für das Projekt, in dem der öffentliche Auftrag erteilt werden soll. Mittel- und langfristig wird allerdings durch die zunehmend transparenter und „besser“ werdenden Beschaffungsprozesse die Wirtschaftlichkeit der Öffentlichen Hand bzw. der Einsatz der dieser anvertrauten Gelder verbessert.

[1] Demgegenüber beträgt der Inlands-Umsatz der in der Deutschen Automobilindustrie (Herstellung von PKW und Motoren) lediglich ca. 130 Milliarden Euro (im Jahr 2014: Verband der Automobilindustrie Jahresbericht 2014, S. 16; www.vda.de).