Wann verjährt der Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit (§ 648a BGB)?
Anspruch auf Stellung der Bauhandwerkersicherung ist ein sog. verhaltener Anspruch
Zum Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 08.10.2015 – 21 U 71/15 (vorhergehend Landgericht Bielefeld, Urteil vom 06.03.2015 – 7 O 270/14)
Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) hatte im Rahmen einer Berufung des Bauunternehmers (BU) darüber zu entscheiden, ob der Anspruch des BU gegen den Bauherrn (BH) auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung gemäß § 648 a BGB bereits der Verjährung unterlag.
Sachverhalt
Der BH hatte den BU im Jahr 2009 mit der Errichtung einer Biogasanlage beauftragt. Nachdem es nach erfolgter Abnahme zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten auf Grund vermeintlicher Mängel über die mit Schlussrechnung geltend gemachte Restwerklohnforderung kam, forderte der BU im Jahr 2012 den BH unter Fristsetzung zur Stellung einer Bauhandwerkersicherheit im Sinne von § 648 a BGB auf. Nachdem der BH weder Zahlung noch Sicherheit leistete, erhob der BU im Jahr 2014 Klage auf Zahlung des restlichen Werklohns.
Da aus Sicht des BU das Risiko bestand, dass die Vergütungsansprüche mit Einreden (wegen Mängeln) behaftet sein könnten, wurde daneben die Stellung der Bauhandwerkersicherheit gefordert. Das Landgericht war der Auffassung, dass dem Anspruch aus § 648 a BGB die Einrede der Verjährung entgegengehalten werden könne. Dass dieser Anspruch innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) verjährt, ist – soweit ersichtlich – allgemeiner Konsens. Umstritten war allerdings, wann die regelmäßige Verjährungsfrist gem. § 195 BGB zu laufen beginnt.
Das Landgericht war der Auffassung, dass die Verjährungsfrist bereits mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem die Parteien den Bauvertrag (oder auch Architektenvertrag) geschlossen hatten, d.h. am 31.12.2009. Verjährung wäre somit mit Ablauf des 31.12.2012 eingetreten. Dagegen wehrte sich der BU mit der Berufung.
Entscheidung
Das OLG gibt dem BU recht und ist der Ansicht, dass es sich bei § 648 a BGB um einen sog. verhaltenen Anspruch handelt. Beim verhaltenen Anspruch beginnt die Frist gemäß § 195 BGB erst mit Geltendmachung zu laufen. Danach würde die 3-jährige Verjährungsfrist frühestens mit erstmaliger Aufforderung zur Stellung einer Bauhandwerkersicherheit zu laufen beginnen, es sei denn, die Werklohnforderung wäre zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt. Da der BU die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit erstmalig im Jahr 2012 vom BU forderte, würde der Anspruch aus § 648 a BGB nach Auffassung des OLG erst mit Ablauf des 31.12.2015 der Verjährung unterliegen.
Anmerkung
Die Entscheidung des OLG Hamm ist die erste obergerichtliche Entscheidung zu der Frage, wann der Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gemäß § 648 a BGB verjährt bzw. – genauer gesagt – wann die Verjährung des Anspruchs aus § 648 a BGB zu laufen beginnt. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es in der Literatur einen lebhaften Streit zu dieser gewichtigen Frage.
Nach einer Ansicht handelt es sich bei dem Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung um einen sog. verhaltenen Anspruch gemäß § 271 BGB, also einen Anspruch, der jederzeit, aber nur auf Verlangen des Berechtigten zu erfüllen ist (Palandt/Sprau, BGB-Kommentar, 73. Auflage 2014, § 648 a BGB, Rn. 13; Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 2. Auflage 2012, § 648 a BGB, Rn. 93; Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B, 19. Auflage 2015, Anhang 1, Rn. 222; Kainz, BauR 2012, 420; Schulze-Hagen, BauR 2010, 354). Die Verjährung des Anspruchs aus § 648 a BGB würde mit erstmaligem Sicherungsverlangen zu laufen beginnen. Dieser Ansicht ist letztlich das OLG Hamm gefolgt.
Die Gegenansicht geht davon aus, dass der Verjährungslauf unter Verweis auf die Regelung in § 199 Abs. 1 BGB ab Entstehung des Anspruchs und Kenntnis der anspruchsbegründenden Umständen bereits mit Abschluss des Bauvertrages (oder auch Architektenvertrages) zu laufen beginnt (Schmitz, BauR 2009, 714; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage 2014, 10. Teil, Rn. 189; Kniffka/Schmitz, IBR-Online-Kommentar, Bauvertragsrecht, § 648 a BGB, Rn. 40 ff.; Fuchs, BauR 2012, 326). Nach dieser Auffassung wäre der Anspruch des BU bereits verjährt gewesen, da er erst nach Ablauf des 31.12.2012 verjährungshemmende Maßnahmen eingeleitet hatte (durch Klageerhebung).
Da sowohl die eine als auch die andere Auffassung durchaus gewichtige und nachvollziehbare Argumente für die jeweilige Rechtsansicht vorbringen, bleibt abzuwarten, wie sich der BGH dazu positionieren wird, sollte er sich irgendwann mit dieser Frage auseinandersetzen müssen.
Ausblick
Da die Entscheidung des OLG Hamm die erste obergerichtliche Entscheidung zu dieser praxisrelevanten Frage ist, bleibt abzuwarten, ob andere Gerichte sich dem anschließen werden. Aus anwaltlicher Perspektive ist es jedoch (weiterhin) ratsam, bereits zu Beginn der Mandatsübernahme auf die Verjährung des Anspruchs aus § 648a BGB hinzuweisen. Ausgangslage sollte für die Verjährungsprüfung m.E. weiterhin die letztgenannte Ansicht sein, bis sich weitere Obergerichte bzw. der BGH zu dieser Frage geäußert haben. Anderenfalls bleibt die Gefahr bestehen, dass der Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung gerade bei umfangreicheren Bauvorhaben verjährt ist, wenn erstmals verjährungshemmende Maßnahmen (z.B. durch Klageerhebung) eingeleitet werden.
In diesem Fall stellt sich allerdings ein praktisches Problem, dass das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer unnötig belasten könnte:
Die Auffassung, dass der Leistungsanspruch auf Erteilung der Bauhandwerkersicherung bereits mit Abschluss des Bauvertrags zu laufen beginnt, würde in der Praxis darauf hinauslaufen, dass insbesondere bei über mehrere Jahre angelegten Bauprojekten regelmäßig dem Auftragnehmer zu raten ist, unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 3 Jahren nach Abschluss des Bauvertrags (gerechnet ab dem Schluss des Jahres) – auch ohne erkennbare Anzeichen eine Sicherung verlangen zu müssen – eine Bauhandwerkersicherung vom Auftraggeber zu fordern. Der Auftragnehmer müsste auch zwangsläufig Klage erheben, um im Einzelfall sicherzustellen, dass das Sicherungsverlangen auch gegen Verjährung gehemmt ist, § 204 Nr. 1 BGB.
Dies könnte das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien – grundlos – nachhaltig stören und bereits im Vorfeld zu Streitigkeiten auf der Baustelle führen. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Forderung auf Seiten des Auftraggebers zu einem finanziellen Engpass führen könnte, da die Stellung einer Bauhandwerkersicherung eine nicht unerhebliche finanzielle Mehrbelastung darstellt. Diesem Umstand könnte bereits im Vorfeld im Rahmen der Vertragsgestaltung Abhilfe geschafft werden, in dem der Verjährungsbeginn ausdrücklich geregelt wird (soweit AGB-rechtlich denn möglich) oder der AG zu gegebenem Zeitpunkt einen Verjährungsverzicht erklären soll.
Die Befürworter des verhaltenen Anspruchs nehmen all dies zur Grundlage, ihre Auffassung auch damit zu begründen, dass die Bauhandwerkersicherung gemäß § 648 a BGB üblicherweise auch erst dann vom Auftragnehmer gefordert wird, wenn es zwischen den Vertragsparteien zu Vergütungsstreitigkeiten in nicht unerheblicher Höhe kommt und sich der Auftragnehmer damit vor einer möglichen Insolvenz des Auftraggebers schützen möchte oder dies auch nur aus taktischen Gründen als Druckmittel einsetzen möchte.
Solange es keine gefestigte Rechtsprechung (allenfalls Tendenzen) hierzu gibt, bleibt die Frage nach dem Verjährungsbeginn des Anspruchs aus § 648a BGB sowohl aus Sicht der Auftragnehmer als auch der Rechtsanwälte von hoher Brisanz.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht