Enzyklopädie Baurecht

Baugenehmigung

(1) Die Landesbauordnungen schreiben vor, dass die Baugenehmigung zu erteilen „ist“, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen (z.B. § 74 Abs. 1 BauO NRW 2018, Art. 68 Abs. 1 BayBO).

Damit wird die Baubehörde verpflichtet, die Baugenehmigung zu erteilen, wenn die materiellen Voraussetzungen vorliegen. Man spricht insoweit von einer „gebundenen Entscheidung“, da der Behörde kein Ermessen eingeräumt ist.

Für die Baubehörde maßgebend ist die Sach- und Rechtslage, die zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung über den Bauantrag gilt. Rechtsänderungen zu Gunsten wie zu Lasten des Bauherrn, die nach Antragseingang eintreten, wirken sich auf die Zulässigkeit des Vorhabens aus.

(2) Die Baugenehmigung ergeht unbeschadet der privaten Rechte Dritter (z.B. § 74 Abs. 4 BauO NRW 2018). Das ist folgerichtig, da die Baubehörde den Bauantrag nur auf seine Vereinbarkeit mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften prüft.

Ist das Baugrundstück aufgrund von privatrechtlich im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeiten (z.B. Wegerechte, Leitungsrechte etc.) nicht oder nicht in der beantragten Weise bebaubar, braucht die Baubehörde dies im Genehmigungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Sie kann ungeachtet dessen die Baugenehmigung erteilen. Der aus der Dienstbarkeit Begünstigte kann gegen die Bebauung dann nur privatrechtlich vorgehen und muss ggfls. die ordentlichen Gerichte bemühen.

Die Bauaufsichtsbehörde kann allerdings die Baugenehmigung versagen, wenn dem Antragsteller das sog. „Sachbescheidungsinteresse“ fehlt.

§ 70 Abs. 3 S. 3 BauO NRW 2018 sieht insoweit vor, dass bei Bauvorhaben auf fremden Grundstücken (=Antragsteller ist nicht gleich Eigentümer des Baugrundstücks) die Zustimmung des Grundstückseigentümers gefordert werden kann. Damit ist zur Vermeidung von unnötiger Verwaltungsarbeit ausnahmsweise eine Berücksichtigung der privaten Eigentumslage am Baugrundstück möglich. Die Behörde kann aber ungeachtet dessen auch ohne Zustimmung des Grundstückseigentümers entscheiden, sogar über mehrere Bauanträge verschiedener Antragsteller gleichzeitig.

(3) Baugenehmigungen enthalten oft eine teilweise lange Liste von weiteren Bestimmungen (Nebenbestimmungen) mit unterschiedlicher Bezeichnung und unterschiedlicher rechtlicher Wirkung.

Dabei sind bloße „Hinweise“ oder „Erläuterungen“ rechtlich nicht relevant, während „Auflagen“, „Bedingungen“, „Befristungen“ und „Widerrufsvorbehalte“ als Nebenbestimmungen rechtlich bedeutsam sind.

Nebenbestimmungen sind bei Baugenehmigungen nach § 36 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) allerdings nur zulässig, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen sind oder sicherstellen sollen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden.

(a) Mit der „Auflage“ kann dem Bauherrn ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen aufgegeben werden, z.B. die Einhaltung bestimmter Immissionsgrenzwerte.

(b) Mit einer „Bedingung“ wird die Wirksamkeit der Baugenehmigung vom Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig gemacht, z.B. der Errichtung einer bestimmten Anzahl von Stellplätzen.

(c) Eine „Befristung“ und ein „Widerrufsvorbehalt“ sind nur in den gesetzlich erlaubten Fällen zulässig. So werden Typen- und Ausführungsgenehmigungen für fliegende Bauten nur unter dem Vorbehalt des Widerrufs bzw. für eine bestimmte Frist erteilt (§ 78 Abs. 5 BauO NRW 2018).

Die Befristung darf aber nicht verwechselt werden mit der Geltungsdauer der noch nicht ausgenutzten Baugenehmigung, die je nach Landesbauordnung zwischen 2 bis zu 4 Jahren beträgt (3 Jahre in NRW: § 75 BauO NRW 2018).

(d) Von den Nebenbestimmungen zu unterscheiden ist die sog. „modifizierende Auflage“. Sie modifiziert die Baugenehmigung, in dem sie unter Abänderung des Bauantrages erteilt wird.

So wird das Bauvorhaben beispielsweise anstatt mit dem beantragten Satteldach mit Flachdach genehmigt, weil der B-Plan nur eine solche Dachform zulässt.

Andernfalls hätte der Bauantrag abgelehnt werden müssen. Ist der Bauherr mit der modifizierten Genehmigung nicht einverstanden, muss er sein ursprüngliches Vorhaben auf dem Rechtsweg weiterverfolgen.

(4) Neben der „normalen Baugenehmigung“ sehen die Landesbauordnungen noch besondere Arten von Baugenehmigungen vor:

(a) Vor Einreichung eines Bauantrages kann der Bauherr durch eine „Bauvoranfrage“ bzw. „Vorbescheid“ (z.B. § 77 BauO NRW 2018, Art. 71 BayBO) eine verbindliche Klärung bezüglich einzelner Fragen des Bauvorhabens erreichen.

So besteht häufig ein Interesse daran, die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens durch Vorbescheid festgestellt zu bekommen, bevor die weitere Arbeit und Kosten verursachende bauordnungsrechtliche Planung erstellt wird. Beschränkt sich der Vorbescheid auf die planungsrechtliche Eignung, spricht man von einer sog. Bebauungsgenehmigung.

Die Bauvoranfrage muss aber nicht auf planungsrechtliche Erfordernisse beschränkt bleiben, sondern kann alle Fragen der Genehmigungsfähigkeit betreffen.

Mit dem Vorbescheid werden die zur Entscheidung gestellten Fragen vorab verbindlich entschieden, d.h. dass die Baubehörde diese Fragen im Genehmigungsverfahren nicht mehr anders beurteilen kann sondern insoweit gebunden ist. Allerdings darf aufgrund des Vorbescheides noch nicht mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen werden.

Die Bindungsdauer des Vorbescheides ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt und reicht von zwei bis zu sechs Jahren, teilweise mit Verlängerungsmöglichkeit.

(b) Nach Einreichung des Bauantrages kann die Baugenehmigungsbehörde auf besonderen Antrag bereits vor Erteilung der Baugenehmigung den Baubeginn der Baugrube oder einzelner Bauteile oder Bauabschnitte durch eine Teilbaugenehmigung gestatten (Art. 70 BayBO, § 76 BauO NRW 2018).

Damit wird eine zügige Durchführung insbesondere größerer Bauvorhaben ermöglicht, bei denen das Genehmigungsverfahren erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann.

Die Teilbaugenehmigung bezieht sich wie der Vorbescheid nur auf bestimmte Teile des Bauvorhabens, gibt diese aber im Gegensatz zum Vorbescheid zur Ausführung frei.

Die Erteilung einer Teilbaugenehmigung setzt voraus, dass die gesamte Baumaßnahme in planungs- und bauordnungsrechtlicher Hinsicht aufgrund des eingereichten Bauantrages grundsätzlich für genehmigungsfähig gehalten wird.

Auch die Teilbaugenehmigung bindet die Behörde bezüglich der entschiedenen Bauabschnitte. Allerdings können zusätzliche Anforderungen gestellt werden, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist.

(c) Einige Bauordnungen (§ 74 LBauO M-V, § 74 LBO S-H, § 78 BauO NRW) sehen eine Typengenehmigung vor für bauliche Anlagen, die in derselben Ausführung an mehreren Stellen errichtet werden können (z.B. Fertiggaragen oder Fertighäuser).

Auch die Typengenehmigung nimmt einen Teil der Baugenehmigung vorweg, nämlich die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit, die für den Typ von baulichen Anlagen allgemein festgestellt wird. Nicht ersetzt wird dadurch das Baugenehmigungsverfahren, in dem insbesondere noch die planungsrechtlichen Erfordernisse beurteilt werden müssen.

(d) Fliegende Bauten sind bauliche Anlagen, die geeignet und bestimmt sind, an verschiedenen Orten wiederholt aufgestellt und zerlegt zu werden, wie z.B. Zirkus- und Festzelte oder Fahrgeschäfte auf der Kirmes (§ 78 BauO NRW 2018, § 66 HBauO).

Diese Vorhaben sind zwar bauordnungsrechtlich wegen ihres Gefahrenpotentials beachtlich, aber nicht planungsrechtlich von Bedeutung, da sie nicht dauernd aufgestellt werden.

Bevor fliegende Bauten erstmals in Gebrauch genommen werden, bedürfen sie der Ausführungsgenehmigung der für den Wohnsitz oder den Betrieb des Antragstellers zuständigen Bauaufsichtsbehörde. Die Aufstellung ist dann jeweils unter Vorlage des Prüfbuches der Bauaufsichtsbehörde des Aufstellortes anzuzeigen, die dann eine Gebrauchsabnahme durchführt.