Enzyklopädie Baurecht

Schiedsgutachten

Neben der Einholung eines Privatgutachtens, das der Vorbereitung der gerichtlichen Beweisaufnahme dient, oder der Einleitung eines Selbständigen Beweisverfahrens steht es den Baubeteiligten frei, die gerichtliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Schiedsgutachtens zu ersetzen. Ein solches bietet sich an, will man einzelne Streitpunkte im Rahmen der Abwicklung eines Bauvorhabens ohne staatliche Gerichte klären. Gleichgültig, ob es beispielsweise um die Frage der Verantwortlichkeit für einen Mangel, einen Streit um Art und Umfang der vom Auftragnehmer vertraglich geschuldeten Leistung oder um Vergütungsfragen geht, können die Bauvertragsparteien sich zur Beilegung des Konflikts eines dritten Schiedsgutachters bedienen.

Unter einer Schiedsgutachtenabrede sind alle vertraglichen Vereinbarungen zu verstehen, nach denen – bei Ausbleiben einer Einigung – ein Dritter die Leistungspflicht einer Partei zu bestimmen hat.1 Ausreichend ist es, wenn sich die Parteien darüber einig sind, dass eine zwischen ihnen streitige Tatsache – oder Rechtsfrage durch einen Dritten (Gutachter) – abschließend geklärt werden soll. Insoweit sind Formulierungen wie „verbindlich“ begutachten oder „endgültig“ festlegen bzw. klären, ausreichend. Wird einem Dritten bzw. Schiedsgutachter die Entscheidung von technischen und/oder rechtlichen Fragen übertragen, ist in jedem Fall von einer Schiedsgutachtenabrede auszugehen.

Die gemeinsame Beauftragung eines Sachverständigen zum Zwecke der Beweissicherung reicht hingegen für eine umfassende Schiedsgutachtenabrede nicht aus. Insoweit dürfte lediglich eine Bindungswirkung bestehen hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, hingegen nicht hinsichtlich Fragen der Verursachung, des Verschuldens und/oder der vertraglichen Verantwortung.

Auf Schiedsgutachtenabreden sind die Vorschriften der §§ 317 ff. BGB anzuwenden. Eine Schiedsgutachtenabrede bedarf keiner bestimmten Form, sie kann demzufolge auch mündlich und sogar konkludent (stillschweigend) getroffen werden. Insoweit ist die Rechtslage anders als bei einer Schiedsabrede im Sinne des § 1031 Abs. 5 BGB gegenüber Verbrauchern.

Erforderlich, aber auch ausreichend, ist für eine Schiedsgutachtenabrede, wenn sie im Hinblick auf die beteiligten Parteien, die von dem Dritten zu klärenden Fragen und hinsichtlich der Person des Gutachters bzw. der Ermittlung dieser Person hinreichend bestimmt ist. Im Hinblick auf die Regelung der Ermittlung der Person des Gutachters reicht es aus, wenn ein Dritter, z. B. Industrie- und Handelskammer, den Gutachter benennt. Fehlt eine der drei Voraussetzungen (Parteien, Fragestellung, Person des Gutachters), ist die Schiedsgutachtenabrede mangels Bestimmtheit unwirksam.

  1. BGH, Urteil vom 03.11.1995, VII ZR 182/94, NJW 1996, 453; Koeble, BauR 2007, 1115, 117. ↩︎

Ähnliche Einträge