Anordnungsrecht
Der im Bereich des privaten Baurechts verwendete Begriff „Anordnungsrecht“ bezieht sich auf ein solches des Bestellers gegenüber dem Unternehmer, mit dem der Inhalt der von diesem geschuldeten Leistung geändert oder erweitert werden soll. Anordnungsrechte des Bestellers (BGB) bzw. Auftraggebers (VOB/B) enden mit der Abnahme, da dann die Phase der Vertragserfüllung abgeschlossen ist.
Während die VOB/B schon immer Anordnungsrechte des Bestellers bzw. Auftraggebers vorsah, war dies bis zum 31.12.2017 nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nicht der Fall. Mit Einführung des Bauvertragsrechts (BauVG) zum 01.01.2018 gibt es nun auch im BGB ein Anordnungsrecht des Bestellers, das aber anders ausgestaltet ist als in der VOB/B.
Die VOB/B enthält Regelungen zum Anordnungsrecht des Auftraggebers an mehreren Stellen. Nach § 1 Abs. 3 VOB/B bleibt es dem Auftraggeber vorbehalten, Änderungen des Bauentwurfs anzuordnen. Der Begriff „Bauentwurf“ wird dabei weit verstanden. Es handelt sich um die „Gesamtheit aller Vorgaben für die bautechnische Leistung“.1 Umstritten war bereits vor Einführung des BauVG, ob das Änderungsrecht gemäß § 1 Abs. 3 VOB/B auch die Bauzeit betreffende Anordnungen umfasst.
Nach § 1 Abs. 4 VOB/B hat der Auftragnehmer auch nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, auf Verlangen des Auftraggebers auszuführen, außer wenn sein Betrieb auf derartige Leistungen nicht eingerichtet ist. Andere Leistungen können dem Auftragnehmer nur mit seiner Zustimmung übertragen werden. Das Anordnungsrecht ist also dadurch beschränkt, dass die in Frage stehende zusätzliche Leistung „zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich“ sein muss. Ist dies nicht der Fall, setzt die Übertragung weiterer Leistungen eine Vereinbarung zwischen den Bauvertragsparteien voraus.
Ein weiteres Anordnungsrecht des Auftraggebers ist in § 4 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B enthalten. Danach ist der Auftraggeber befugt, unter Wahrung der dem Auftragnehmer zustehenden Leitung Anordnungen zu treffen, die zur vertragsgemäßen Ausführungen der Leistung notwendig sind.
Dem Auftraggeber wird also mit den in der VOB/B enthaltenen Regelungen die Möglichkeit eingeräumt, durch einseitige Anordnungen – die von „Wünschen“, „Vorschlägen“ etc. abzugrenzen sind – nach Abschluss des Bauvertrages das vom Auftragnehmer herzustellende Werk zu verändern und in seinem Sinne zu beeinflussen. Dieses seit den 1920er Jahren in der VOB/B enthaltene Anordnungsrecht dürfte eine der Ursachen für die vielfach bemängelte Praxis des „Planens beim Bauen“ sein.
- Vgl. Kapellmann/Messerschmidt/von Rintelen, VOB Teile A und B, § 1 Rn. 51. ↩︎