Enzyklopädie Baurecht

Abnahme

Die (rechtsgeschäftliche) Abnahme des Werkes ist – neben der Zahlung der Vergütung (§ 631 BGB) – im Werk-, Bau– und Architektenvertragsrecht eine Hauptleistungspflicht (3.) des Auftraggebers (AG) bzw. des Bauherrn. Zur Abnahme, die erhebliche Auswirkungen hat (2.), ist der AG gegenüber seinem Auftragnehmer (AN) verpflichtet, wenn das von diesem erstellte Werk keine wesentlichen Mängel aufweist (1.). Es gibt zwar verschiedene Formen der Abnahme, allgemein gilt jedoch, dass die Abnahme die körperliche Entgegennahme _des Werkes als Erfüllung und die Billigung _als in der Hauptsache dem Vertrag entsprechende Leistung voraussetzt (vgl. Koenen, Abnahme). Besonderheiten gibt es bei der Abnahme im Zusammenhang mit der Erwerb von Eigentumswohnungen vom Bauträger (4.).

1. Der AG ist zur (rechtsgeschäftlichen) Abnahme des „vertragsgemäß“ hergestellten Werks verpflichtet, wenn dieses abnahmereif ist, d.h. keine wesentlichen Mängel aufweist (§ 640 Abs. 1 S. 2 BGB). Von einem „wesentlichen Mangel“ ist dann auszugehen, wenn der Mangel nach Art und Umfang, vor allem nach seinen Auswirkungen so erheblich ist, dass dem Auftraggeber nach objektiven Gesichtspunkten im Verhältnis zu dem nach den Vertrags-zweck vorausgesetzten Gebrauch und den geschuldeten Erfolg nicht zugemutet werden kann, auf Mängelansprüche verwiesen zu werden (vgl. Nicklisch/Weick/Jansen/Seibel, VOB/B, § 12, Rn. 113, BGH, NZBau 2000, 507). Ein Mangel ist insbesondere dann wesentlich, wenn die Bauleistung nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht oder wenn sie in beachtlichem Maß von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht. Das gilt auch im Hinblick auf geschuldete, aber noch nicht fertig gestellte Leistungen.

Maßgebende Kriterien sind vor allem die Art, der Umfang und vor allem die Auswirkungen des Mangels (BGH BauR, 1981, 284, BauR 1992, 627; Ingenstau/Korbion, VOB/B, § 12 Abs. 3, Rn. 2), und zwar im Hinblick auf die Zweckbestimmung der jeweils in Auftrag gegebenen Leistung, vor allem ihrer ungehinderten Gebrauchstauglichkeit.

Folgende Mängel sind von Rechtsprechung als wesentlich eingestuft worden:

– bei nicht tief genug eingebrachten Bewehrungsstählen, die zu einem Riss in einer Attikaplatte geführt haben (BGH, NJW 1992, 2481)

– wenn eine andere, als die vereinbarte Holzart verwendet wurde (BGH, NJW 1962, 1569)

– wenn der Estrich nicht in der vereinbarten Höhe aufgebracht wurde (OLG Karlsruhe, BauR 1995, 246)

– bei einem unterschiedlichen Anstrich von Holzbalken im Wohn- und Haustürbereich, der zudem vom Nacharbeiten ausgeprägte Flecken aufweist (OLG Hamm, BauR 1993, 375)

– wenn eine Verschleißschicht Abweichungen von dem vertraglich vereinbarten Dicken aufweist und sich dadurch die Lebensdauer um 35 % reduziert (OLG Hamm, IBRRS 2002, 2277; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

– wenn 16 % des verlegten Fliesenmaterials farblich unzulässige Abweichungen aufweist (LG Amberg, NJW 1982, 1540)

– wenn wegen einer fehlenden Absturzsicherung ein erhebliches Gefahrenpotenzial besteht (OLG Hamm, IBRRS 2005, 2267; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

– die unzureichende Qualität eines Betonbodens, wenn die Nutzbarkeit der betroffenen Fläche für die vertraglich vorausgesetzten Zweck beeinträchtigt ist (OLG Frankfurt, IBRRS 2014, 2045)

– wenn bei einem Wohnhaus der Sockelputz nicht hergestellt ist und das vorgesehene Eingangspodest mit Trittstufen noch fehlt, weil dann das Haus noch nicht in funktionaler Hinsicht fertig ist (OLG Dresden, IBR 2001, 295)

– wenn die Stürze über den Fenstern nicht ausreichend abgefangen sind und die Werkleistung und diese Abfangung nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht, es kommt hierbei nicht darauf an, ob es bereits zu einem Schaden gekommen ist (OLG Celle, IBR 2001, 170)

– bei zahlreichen Einzelmängeln der Werkleistung, die mit einem Gesamtbeseitigungsaufwand von mehr als 10 % des Werklohns zu Tage treten (OLG Hamburg, BauR 2003, 1590)

– optisch stark störende Dellen und Eindrücke bei einen PVC-Design-Bodenbelag in einer repräsentativen Arztpraxis mit rollbarem Praxismobiliar (OLG Hamburg, Urteil vom 28.09.2018, 11 U 128/17)

– das Fehlen erforderlicher und mitzuliefernder Unterlagen über die Vertragsgemäßheit der Leistung, zum Beispiel geschuldete Bescheinigungen über die Holzschutzbehandlung (OLG Rostock, NJW-RR 1995, 1422), die Vorlage von Lieferscheinen oder Rechnungen in Zusammenhang mit einer Abfallbeseitigung;

Es kommt bei der Abwägung nicht nur auf objektive Gesichtspunkte an, sondern auch auf dem Auftragnehmer unzweifelhaft erkennbar gemachte subjektive Merkmale unter besonderer Berücksichtigung des Willen des Auftraggebers.

Als Kriterien können also die Höhe der Mangelbeseitigungskosten, die Schwierigkeiten und der Umfang der Mangelbeseitigung, der Grad der Funktionsbeeinträchtigung der Leistung, die Unfallträchtigkeit, der Umfang und das Gewicht der optischen Beeinträchtigung, etwaiges Verschulden des Auftragnehmers (vgl. Ingenstau/Korbion, a. a. O., Rn. 2).

Demgegenüber hat die Rechtsprechung bei folgenden Fällen die Wesentlichkeit des Mangels verneint:

– ein unebener Teppichboden, wobei die Beseitigung des Mangels nur einen geringen Zeit- und Kostenaufwand verursacht

– ungenügend befestigte Dachziegel, die nicht zu einer Undichtigkeit des Daches führen

– wenn der Mangel lediglich geringe optische Beeinträchtigungen zur Folge hat, die leicht beseitigt werden können

– Mängel mit einem Gesamtbeseitigungsaufwand von 3.000,00 DM bei einem Gesamtvolumen des Auftrags von 9,5 Mio. DM, die die Funktionsfähigkeit des Gebäu-des nicht beeinträchtigen (OLG Dresden, BauR 2001, 949)

– das OLG Köln hat bei einer Schlussrechnung von 58.000,00 EUR bei einem Beseitigungsaufwand für Mängel von 570,00 EUR keinen wesentlichen Mängel bejaht (OLG Köln, IBR 2007, 1211).

Wird die Abnahme zu Recht verweigert, weil das Werk im Zeitpunkt des Abnahmeverlangens noch nicht im Wesentlichen fertig gestellt ist oder wesentliche Mängel hat, treten die Abnahmewirkungen nicht ein. Liegen keine wesentlichen Mängel vor, treten die Abnahmewirkungen entweder mit der Abnahme oder mit der unberechtigten Abnahmeverweigerung ein.

2. Liegen die Voraussetzungen für eine (rechtsgeschäftliche) Abnahme – entweder in Form der (ausdrücklichen oder konkludenten) Erklärung des Auftraggebers, wegen unberechtigter Abnahmeverweigerung oder wegen fiktiver Abnahme – vor, hat dies folgende Auswirkungen (im Einzelnen vgl. Koenen, Abnahme, Rn. 74 ff.):

a) Erfüllungswirkung

Mit der Abnahme endet das Erfüllungsstadium. Zugleich beginnt die Phase der Gewährleistung.

b) Konkretisierung der Ansprüche auf die erbrachte Leistung

Mit der Abnahme beschränkt sich der Nacherfüllungsanspruch des Auftraggebers auf das abgenommene Werk. Der Erfüllungsanspruch erlischt, und der Auftraggeber kann nur noch Mangelbeseitigung verlangen.

c) Fälligkeitsvoraussetzung für die Vergütung

Unabhängig davon wird mit der Abnahme die Vergütung fällig, § 641 Abs. 1 BGB, wobei der AN bei Bauverträgen zusätzlich verpflichtet ist, dem Auftraggeber eine prüffähige Schlussrechnung zukommen zu lassen (§ 650g Abs. 4 S. 1 Nr. 2, S. 2 BGB; §§ 14, 16 VOB/B). Aus zwischenzeitlich gestellten Abschlagsrechnungen kann der Auftragnehmer nach der Abnahme nicht mehr vorgehen. Der Auftragnehmer ist nach Abnahme verpflichtet, seinen bestehenden Vergütungsanspruch insgesamt abzurechnen.

d) Ende der Vorleistungspflicht des Auftragnehmers

Mit der Abnahme endet zugleich die Vorleistungspflicht des Auftragnehmers.

e) Beginn der Verjährung

Mit der Abnahme beginnt der Lauf der Verjährungsfrist des Werklohnanspruchs.

f) Fälligkeitszinsen Von der Abnahme des Werkes an ist die Restwerklohnforderung zu verzinsen, soweit die Voraussetzungen des § 641 Abs. 4 BGB vorliegen. Daneben kann der Auftraggeber den Auftragnehmer in Verzug setzen und Verzugszinsen verlangen . Dies gilt jedoch nicht, soweit dem Auftraggeber ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 641 Abs. 3 BGB) zur Seite steht.

g) Übergang von der Leistungs- und Vergütungsgefahr

Die Gefahr des zufälligen, also von keiner Partei zu vertretenden Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung trägt bis zur Abnahme der Auftragnehmer. Dieser ist wegen seiner verschuldensunabhängigen Erfüllungspflicht in einem solchen Fall bis zur Abnahme zur Neuherstellung verpflichtet, sofern nicht ausnahmsweise die Regelung des § 275 BGB (Unmöglichkeit) eingreift. Nach diesem Zeitpunkt trägt die Leistungsgefahr der Auftraggeber.

Auch die Vergütungsgefahr geht auf den Auftraggeber über.

h) Beginn der Verjährungsfrist für Mängelansprüche

Mit der Abnahme beginnt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche. Dies gilt auch im Falle einer Teilabnahme. Auch mit der endgültigen Ablehnung der Abnahme durch den Auftraggeber beginnt die Verjährungsfrist zu laufen.

i) Beweislastumkehr bzgl. Mängel

Bis zur Abnahme trägt der Auftragnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die vertragsgerechte Leistung. Nach der Abnahme ist hingegen der Auftraggeber für etwaige Mängel beweisbelastet, weil er bestätigt hat, dass die Leistung im Wesentlichen vertragsgemäß ist, so dass er nun darlegen und beweisen muss, warum er die Leistung nicht gelten lassen will.

j) Ausschluss von Vertragsstrafe und Mängelrechten bei fehlendem Vorbehalt

Eine eventuell verwirkte Vertragsstrafe verfällt, wenn der Auftraggeber sie sich nicht bei der Abnahme ausdrücklich vorbehält (§ 11 Abs. 1, § 341 Abs. 3 BGB). Das Erfordernis eines Vorbehalts gilt auch für Mängel. Wenn der Auftraggeber ein mangelhaftes Werk abnimmt, obwohl er die Mängel (positiv) kennt, so entfallen gem. § 640 Abs. 3 BGB die Ansprüche auf Mangelbeseitigung und Minderung.

4.  Bei der Abnahme handelt es sich um eine Hauptleistungspflicht des AG, so dass diese vom AN auch selbständig eingeklagt werden kann (vgl. BGH NJW 1996, 1749; NJW 1981, 1448; BauR 1989, 323). Mit der Werklohnklage ist zugleich die Klage auf Abnahme umfasst, soweit die Abnahme noch nicht erklärt wurde.

5. Besonderheiten bei dem Erwerb von Eigentumswohnungen vom Bauträger

Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen richten sich Bauträgerverträgen nach Werkvertragsrecht, mag auch das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt sein (vgl. BGH IBR 2016, 339, Fortführung von BGH, BauR 1985, 314). Bei Eigentumswohnungen, die ein Bauträger ca. drei Jahre nach Errichtung veräußert und zuvor vermietet waren, richtet sich die Sachmängelhaftung hingegen nach Kaufvertragsrecht (BGH IBR 2016, 339; BGH, BauR 2016, 1017).

Die Abnahme von Wohnungseigentum erfolgt grundsätzlich hinsichtlich Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum durch die einzelnen Wohnungseigentümer (BGH NJW 1985, 1551 (1552)). Die Abnahme des Sondereigentums bedeutet deshalb nicht automatisch, dass auch das Gemeinschaftseigentum abgenommen ist.

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